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Das AGG ein Anti-Mobbing Gesetz aus Europa?

Einleitung:

Seit dem 18.08.2006 ist in Deutschland ein Gesetz in Kraft getreten, das für wichtige Teilbereiche als ein Anti-Mobbing-Gesetz angesehen werden kann.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) folgt europarechtlichen Vorgaben.Das heißt ähnliche Regelungen gelten in der gesamten Europäischen Union(EU) und letztlich entscheidet auch der Europäische Gerichtshof (EuGH)über seine Auslegung.

In § 3 AGG wird der Tatbestand des Mobbings erstmalig in einem deutschen Gesetz geregelt.Es ist dort zwar von "Belästigung" die Rede .Alle Juristen sind sich allerdings darüber einig .Belästigung im Sinne des AGG und Mobbing sind gleichzusetzen.

Das Problem der europarechtlich geschützten Diskriminierung:
Das AGG greift unmittelbar nicht alle Fälle von Belästigung (Mobbing), sondern nur diejenigen in denen der Vorgang mit acht europarechtlichen Merkmalen in Zusammenhang gebracht werden kann

Also Mobbing wegen der Rasse,der ethnischen Herkunft,der Religion ,der Weltanschauung,des Alters,wegen Behinderung,des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung .(§ 1 AGG)

.Hat zB eine Frau einen Vorgesetzten ,der sie begehrt, abgewiesen und nutzt dieser seine Stellung aus um sie nach allen Regeln der Kunst zu schikanieren so ist das europarechtliche Kriterium Belästigung(Mobbing) wegen des Geschlechts erfüllt.Das Gleiche gilt natürlich auch wenn eine Frau vorgesetzt ist.

Was aber wenn etwa gemobbt wird,weil Personalabbbau ansteht , die Abteilungsleiterin eines Kaufhaus sich die leistungsschwächste Mitabeiterin herauspickt und diese so lange drangasaliert bis sie freiwillig ausscheidet.
Dann erfolgt die Belästigung ja nicht wegen eines der 8 geschützeten Merkmale.Das Gesetz gilt nach seinem Wortlaut nicht.

Hier kann man auf die Rechtssprechung der kommenden Jahre gespannt sein.Denkbar ist dass die Gerichte schematisch danach schauen ,ob wegen eines der 8 geschützten Kriterien belästigt wird.Ist dies der Fall so gilt das AGG .Kann dies nicht festgestellt werden so gelten die allgemeinen-auf unsrer home page umfangreich dargestellten- allgemeinen Grundsätze.

Analoge(entsprechende) Anwendung des Gesetzes ?

Denkbar ist aber auch eine sogenannte analoge Anwendung des AGG .Das heißt die Rechtsregeln- werden aus dem AGG genommen auch wenn kein Verstoß gegen die 8 mehrfach zitierten Kriterien vorliegt.Näheres werden wir jedoch frühestens Mitte 2007 wissen ,wenn die ersten Landesarbeitsgerichte sich mit solchen Fällen beschäftigt haben.

Ich persönlich halte diese letzte Lösung für sinnvoll.Ansonsten hätten wir eine Rechtsspaltung .In den Fällen der 8 europarechtlich geschützen Kriterien(Rasse,Religion,Geschlecht,Alter usw) würde das AGG gelten ,bei sonstigen Übergriffen die wesentlich schwächeren allgemeinen Regeln der Arbeitsrechts.Den Betroffenen kaum zu vermitteln.

Umkehr der Beweislast .Eine absolute Erleicherung :

.Das AGG enthält in § 22 eine sogenannte Beweislastumkehr.Wer glaubt er werde wegen eines der 8 geschützten Merkmale gemobbt ,muss dies nicht wie bisher beweisen,sondern es genügt wenn er Indizien vortragen kann die einen solchen Schluss nahe legen .

Beispiel:In einer Warenhauskette werden Arbeitnehmerinnen mit Migrationshintergrund auffällig bei Beförderungen übergangen.Man macht sie grundsätzlich nicht zu Abteilungsleiterin.Es besteht die Vermutung ,dass dies eine bewusste Entscheidung der Geschäftsleitung ist um keine Vorgesetzten ausländischer Herkunft zu bestellen.Ein klarer Verstoß gegen §1 AGG.
.
Nach der bisherigen Rechtslage konnten das die Betroffenen in der Regel nicht beweisen.Waren also vor Gericht chancenlos.
Jetzt wird auf grund von Indizien vermutet werden können ,dass die Benachteiligung wegen der "ethnischen Herkunft "stattfindet .Das AGG findet also Anwendung.

Der Testbeweis .Ein Novum im deutschen Recht.

Zulässig soll nach der Gesetzesbegründung der sogenannte Testbeweis sein.Das heisst es wäre möglich, dass sich eine weiteren Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund bewirbt ,auch wenn das nicht so ernst gemeint ist.
Werden - bei gleicher Qualifikation mit anderen Bewerbern - beide abgelehnt so würde das AGG greifen.Die Betroffene junge Frau hätte also ausreichend "bewiesen "dass sie wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert wurde.

Wer wird geschützt und gegen wen?

Findet das Gesetz nun ?unmittelbar oder analog-Anwendung so ist der Schutz der Betroffenen wirklich umfangreich ausgestaltet.Erstmalig wird auch die Psychische Gesundheit von Mitarbeitern als gesetzlich schützenswertes Gut anerkannt.
Geschütz werden soll vor Mobbingattacken der:

1.Geschäftsleitung,
2.Vorgesetzten
3.Kollegen

Genauer :

Mobbt die Geschäftsleitung ,oder weist sie an zu mobben,so haftet sie ohne weiteres direkt.(§12 Abs 1 AGG)

Mobbt ein Vorgesetzter oder schaut er Kollegenmobbing tatenlos zu ,so haftet die Geschäftsleitung nach § 278 BGB in Verbindung mit §12 AGG,auch wenn sie davon nichts wusste .

Mobben Kollegen ,ohne dass der Vorgesetzte oder die Geschäftsleitung Bescheid wussten so haftet der Betrieb prinzipiell auch . (Organisationsverschulden §12 Abs 1AGG)

Das Unternehmen kann diese Haftung jedoch abwehren ,wenn er die Mitarbeiter und insbesondere das Führungspersonal effizient zum Thema Mobbing /Belästigung geschult hat.(§12 Abs 2 Satz 2 AGG)

Daneben kann natürlich auch ein pesönlicher Anspruch gegen den belästigenden Kollege oder Vorgesetzten bestehen(§ 823 BGB) .Allerdings spielt dies in der Praxis erstaunlicherweise kaum eine Rolle.

Das Beschwerderecht:

Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber gemäß §13 AGG eine Stelle zu bestimmen die Beschwerden entgegennimmt und diese -die zuständige Stelle-durch Aushang oder sonst in geeigneter Form (Intranet) bekanntzumachen. (§12 Abs:5 AGG)

Zunächst einmal hat jeder Betroffene -oder wer sich betroffen glaubt-das Recht sich an die Beschwerdestelle zu wenden .Die Beschwerde ist entgegenzunehmen ,der Sachverhalt zu prüfen und das Ergebnis dem Beschwerdeführer mitzuteilen.(§13 AGG)

Selbst wenn sich die Beschwerde aus Sicht der Beschwerdestelle als ungerechtfertigt herausstellen sollte, kann der Beschwerdeführer nicht deswegen abgemahnt oder gekündigt werden.Das Gleiche gilt auch für Arbeitnehmer ,die den Beschwerdeführer
unterstützen oder sich als Zeuge zu Verfügung stellen.(Maßregelungsverbot § 16 AGG)

Der Arbeitgeber muss dazu keine neue Kraft einstellen .Er kann auf vorhandene Resourcen zurückgreifen.Allerdings muss eine solche Person nach ihrer Qualifikation geeignet sein ,eine Beschwerde entgegenzunehmen ,gegebenenfalls Zeugen zu hören und zu einer abschließenden Meinung zu kommen:Der Arbeitgeber kann sich die letzte Entscheidung über die Beschwerde vorbehalten oder sie auf die Beschwerdestelle übertragen.

Er muss eine Beschwerdestelle jedoch ausdrücklich einrichten .Keinesfalls kann er sich auf den Standpunkt stellen es gebe ja schon ein Beschwerderecht zum Betriebsrat (§85 BetrVG)und das müsse ausreichen.

Soll auf jeden Fall der Weg der Beschwerde gegangen werden?

Manche Situationen von /Mobbing /Belästigung entwickeln sich so rasend schnell, dass eine Beschwerdestelle erst gar nicht eingeschaltet werden kann .
Wird etwa ein Vorgesetzter gegenüber einer Auszubildenden sexuell übergriffig so haftet der Betrieb schon beim ersten Vorfall auf Schmerzensgeld.

In jeder anderen Situation ist jedoch dem Betroffenen zu empfehlen vorhandene Beschwerdemöglichkeiten zu nutzen ,auch wenn dies im AGG nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. .Hat der Arbeitgeber rechtswidrig keine Beschwerdestelle eingerichtet,so besteht das allgemeine Beschwerderecht zum Vorgesetzten oder ,wenn dieser der Belästiger ist ,zur nächsten Ebene.(§84 BetrVG)

Versucht der Arbeitnehmer nicht die Belästigung zunächst durch eine Beschwerde zu unterbinden ,so könnte er seiner Ansprüche verlustig gehen.Das deutsche Recht kennt nämlich das Institut des Mitverschuldens (§254 BGB)

Prinzip ::Wer sich nicht zur Wehr setzt und versucht weiteren Schaden zu vermeiden -etwa durch eine Beschwerde -kann nachher keine ,oder wesentlich weniger,Kompensation verlangen.

Die Kompensationen des AGG:

Konnte eine Beschwerde nicht eingelegt werden ,oder geht der Arbeitgeber dieser nicht ausreichend nach, so sieht das AGG prinzipiell 3 Möglichkeiten der Reaktion vor:

1.Leistungsverweigerung .
2.Schadensersatz
3.Entschädigung

Achtung:Hier zeigt sich wie wichtig ein vorheriger Versuch ist die Situation durch eine Beschwerde zu bereinigen..Wer ,zumal in einem Klein oder Mittelbetrieb,seine Arbeitgeber verklagt, wird -so ist die Realität -dort nicht alt werden.
Kompensation zu verlangen hat also eigentlich nur einen Sinn .wenn man sich dessen bewusst ist und den Mobber bzw den Betrieb nicht "ungestraft"davonkommen lassen möchte.
Das Problem ist daß das Gesetz leider sehr schlecht gemacht ist.und unterschiedliche Fristen aufstellt innerhalb deren ein Gemobbter tätig werden muss.

Genauer:Das Leistungsverweigerungsrecht:§14 AGG

Am juristisch unkompliziertesten ist das sogenannte Leistungsverweigerungsrecht (§14 AGG)
Unternimmt der Arbeitgeber nichts oder jedenfalls keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz des Belästigten / Gemobbten so kann dieser so lange Zuhause bleiben und trotzdem seine Vergütung verlangen bis der Arbeitgeber sachdienlich reagiert.

Klingt gut, aber wieder dickes Achtung(!).Nicht der Betroffene entscheidet darüber ob die Voraussetzungen des §14 AGG vorliegen ,nicht sein Rechtsanwalt und schon gar nicht die Mobbing Selbsthilfegruppe .

Die Entscheidung trifft der Arbeitsrichter und nur dieser.Kommt das Gericht zum Ergebnis dass kein ausreichend starkes Mobbing vorlag ,so kann der Arbeitnehmer wegen des Maßregelungsverbots(§16 AGG) zwar nicht gekündigt werden aber er erhält für die Zeit der Leistungsverweigerung natürlich auch kein Geld.

Ob die Bundesagentur für Arbeit leisten muss ist eher unklar.Vorsichtshalber wäre jedem Betroffenen, der den Weg der Leistungsverweigerung gehen will ,zu raten sich arbeitslos zu melden.

An eine formelle Frist ist die Leistungsverweigerung nicht gebunden .Allerdings kennt das deutsche Arbeitsrecht das Institut der Verwirkung .Es sagt generell Ansprüche müssen zeitnah geltend gemacht werden.Wem also etwa nach 6 Monaten erst einfällt dass er gemobbt worden ist ,dürfte vor Gericht schlechte Karten haben.Gilt ein Tarifvertrag so müssen die dort geregelten Verfallsfristen einhalten.

Genauer :Der Schadensersatz. §15 Abs 1 AGG.

Hier ist noch Vieles unklar.Ersetzt werden sollen Geldnachteile die aus einer Mobbingsituation für den Betroffenen entstanden sind.

Vorstellbar ist etwa die Differenz zwischen Krankengeld und Vergütung,wenn der Gemobbte länger als 6 Wochen erkrankt ist.

Vorstellbar ist aber auch dass der Belästigte den Arbeitgeber formell abmahnt,bei Untätigkeit den Arbeitsplatz gemäß §628 Abs.2BGB kündigt und nach den auf dieser home page unter "Wege aus der Mobbingfalle" aufgezeigten Grundsätzen eine Abfindung nach den Grundsätzen der § 9,10KschG verlangt.Das deutsche Bundesarbeitsgericht hatte dies ja auf 0,5 Bruttogehälter pro Jahr der Beschäftigung begrenzt.

Ob dies unter den europarechtlichen Vorgaben zur Auslegung des AGG noch gilt,oder ob der Arbeitgeber doch wieder den Verdienstausfall bis zum Ende der Arbeitslosigkeit ersetzen muss scheint offen.

Der Schadensersatzanspruch setzt Verschulden des Arbeitgebers voraus .Es genügt allerdings ein Verschulden eines Vorgesetzten (§278 BGB)oder das sogenannte Organisationsverschulden(Untätigkeit)

Die doppelten Fristen §15 Abs4 AGG §61b ArbGG.
Ein Stück aus dem Tollhaus.

Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung müssen innerhalb von 2 Monaten gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.Das bedeutet der Betroffene muss innerhalb vom 2 Monaten nach dem Ereignis dem Arbeitgeber den Sachverhalt schildern und seine Ansprüche beziffern.(§15 Abs 4 AGG)

Hat er dies getan so gilt für die Entschädigung eine 2te Frist .Er muss innerhalb von weiteren 3 Monaten ,beginnend mit Einreichung der Geltendmachung beim Arbeitgeber,Klage zum Arbeitsgericht erheben.(§ 61b ArbGG)

Für die Ansprüche auf Schadensersatz gilt das allgemeine Verjährungsrecht.Diese können 3Jahre lang eingeklagt werden.Die Verjährung beginnt am Ende jeden Jahres.(§195,199 BGB)

Beispiel :Eine Sekretärin wird gemobbt indem man Ihr einfach keine Arbeit zuteil.Sie erkrankt am 17.05.06 in Form einer schweren Depression :Ihr Rechtsanwalt mahnt den Arbeitgeber erfolglos ab ,kündigt darauf das Arbeitsverhältnis und verlangt nach §628 Abs.2 BGB Schadensersatz in Höhe der Regelabfindung von 0,5 Brutto pro Beschäftigungsjahr.Außerdem macht er Entschädigung in Höhe von 10000 Euro geltend

Lösung :Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung müssen bis spätestens 17.07.2006 schriftlich geltend gemacht werden .Der RA tut dies am 25.05.2006 Schadensersatz kann bis zum 31.12.2009 (!)eingeklagt werden ,der Entschädigungsanspruch ist spätestens am 25.08.2006(!)bei Gericht in Form einer Klage einzureichen.

Gilt ein Tarifvertrag so sind die dort festgelegten Fristen zu beachten.(§15 Abs4 Satz 2)Die Sache läuft möglicherweise völlig anders und noch komplizierter.
.Spätestens jetzt sollte ein Fachanwalt für Arbeitsrecht oder ein Gewerkschaftlicher Sekretär beauftragt werde.

Zusammenfassung:Das AGG ist ein schwer verständliches ,auch für deutsche Juristen schwer handhabbares Gesetz ,da eine ganze Reihe von Vorschriften europarechtlich geprägt sind ,wir also noch auf keinerlei Erfahrung zurückgreifen könne.(So etwa bei der sogenannte Entschädigung nach § 15 AGG)Darin liegt aber auch die Chance.Die Erfahrung zeigt .Je höher das Risiko für die Arbeitgeberseite ist ,desto mehr wird sich diese Seite bemühen Mobbing im Betrieb wirklich zu unterbinden.Schon allein um nicht in die wirklich gravierende Haftung genommen zu werde. Damit hätte das Gesetz sein Ziel erreicht.Man darf gespannt sein.